Es gärt schon länger. Sexarbeit soll verboten werden, darum werben immer mehr Instanzen. Das sogenannte Sexkaufverbot bzw. nordische Modell (das so heißt, weil es aus Schweden kommt) soll die Inanspruchnahme von Sexarbeit verbieten. Freier*innen werden nach diesem Modell bestraft, Prostituierte nicht. So soll die illegale Zwangsprostitution eingedämmt werden. So sagen sie.

Für Menschen, die keine bis kaum Berührungspunkte mit Sexarbeit haben, klingt das erst einmal gut und sinnvoll. Bloß: Das Sexkaufverbot ist eine reine Mogelpackung – und das aus mehreren Gründen. Zunächst einmal IST Zwangsprostitution längst illegal. Das Sexkaufverbot verbietet etwas, das längst verboten ist. Dass es immer noch Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt, liegt NICHT daran, dass Sexarbeit erlaubt ist. Und seien wir mal ehrlich: Jemand, der jetzt mit Menschen handelt und sie zwingt, sich zu prostituieren, wird nicht damit aufhören, nur weil das Sexkaufverbot in Kraft tritt. Statt also tatsächlich etwas im Kampf gegen illegale Prostitution zu bringen, beraubt uns das Sexkaufverbot der sicheren Räume, in denen wir unseren Beruf ausüben. Wenn das Sexkaufverbot in Kraft tritt, müssen Bordelle, Laufhäuser, BDSM-Studios und viele mehr schließen. Das sind aber nicht einfach nur Orte, an denen Sex verkauft wird. Es sind sichere Arbeitsstätten. Für Sexarbeiter:innen wird es also viel schwerer und gefährlicher, ihrem Job nachzugehen – auch wenn sie selbst nicht dafür bestraft werden, dass sie sich prostituieren. Wenn das Sexkaufverbot in Kraft tritt, dürfen wir noch nicht einmal mehr gemeinsam in einer Privatwohnung arbeiten und auch unsere Vermieter machen sich strafbar, wenn wir uns in unserer Wohnung prostituieren. Wir riskieren also permanent, unsere Wohnung zu verlieren oder erpresst und ausgebeutet zu werden.

Das Sexkaufverbot raubt uns unsere Existenz. Es drängt uns immer mehr an den Rand der Gesellschaft und auch wenn wir offiziell ungestraft weiterarbeiten dürften, stigmatisiert es uns. Es schreckt Gäste ab, unsere Dienstleistung in Anspruch zu nehmen – sie wollen schließlich, zurecht, nichts Illegales tun –, und es zwingt uns, unter immer prekäreren, gefährlicheren Bedingungen zu arbeiten. Es gibt Studien, die zeigen, dass dort, wo das nordische Modell bereits in Kraft ist, die Gewalt gegen Prostituierte genauso ansteigt, wie die HIV-Rate unter Sexarbeiter:innen; gleichzeitig lässt sich nicht im geringsten belegen, dass das Sexkaufverbot etwas bringt im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution sowie die horrenden Arbeitsbedingungen, unter denen die Betroffenen leiden.

Die Diskussion um eine Einführung des Sexkaufverbots auch in Deutschland gibt es schon länger, aber seit letztem Herbst hat sie sich verschärft. Im Herbst 2023 hat die CDU/CSU nämlich bekannt gegeben, dass sie geschlossen für die Einführung des Sexkaufverbots ist. Diese Nachricht hat meine Kolleg:innen und mich völlig überrollt. Viele waren wir wie in Schockstarre, panisch.
Und dann haben wir beschlossen: Es reicht. Wir müssen uns selbst zu Wort melden. Wir nehmen das so nicht hin.
Wir nehmen nicht hin, dass selbstbestimmte Sexworker:innen in der Diskussion nicht wahrgenommen werden. Stattdessen wird so getan, als würden alle, absolut alle Sexarbeiter:innen zur Prostitution gezwungen. Dem ist aber nicht so. Ich selbst bin das beste Beispiel. Ich liebe meinen Job und mache ihn absolut freiwillig und selbstbestimmt. Ich habe mich in der Sexarbeit gefunden. Für mich ist mein Beruf Freiheit und ich will auf keinen Fall einen anderen.
Wir nehmen nicht hin, dass wir selbstbestimmten Sexarbeiter:innen komplett übergangen werden. Dass man uns entmündigt, uns nicht zutraut, über unser eigenes Leben zu entscheiden. Es ist doch ein Unding, dass andere – Menschen, die mich noch nicht einmal kennen! – darüber urteilen, ob ich meine Arbeit freiwillig mache.

Wir nehmen nicht hin, dass die Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel als Vorwand genommen wird, um uns unserer Lebensgrundlage zu berauben. Wir haben uns eine Existenz aufgebaut, viele von uns haben Familie. Doch dieses Gesetz – ein Gesetz, das rein gar nichts bringt – nimmt uns unsere Existenzgrundlage. Von jetzt auf gleich. Kann der Staat denn so leichtfertig auf unsere Steuern verzichten? Was passiert, wenn tausende ehemalige Sexarbeiter:innen die ohnehin schon überlasteten Arbeitsämter stürmen, Sozialhilfe beantragen?
Wir nehmen nicht hin, dass die Diskussion um das Sexkaufverbot ein völlig falsches, veraltetes Bild von Prostitution propagiert: Der Mann, der zur Frau kommt und sie benützt. Erstens verkauft ein:e Sexarbeiter:in nicht sich selbst, sondern eine Dienstleistung. Zweitens benütze ich meine Gäst:innen für meinen Spass. Deswegen kommen sie ja überhaupt erst zu mir. Und drittens sind nicht alle Sexarbeiter:innen weiblich. Auch Männer sowie Menschen, die sich außerhalb der binären Geschlechterordnung bewegen, bieten Sexarbeit an.

Nein, wir nehmen nicht hin, dass man über uns entscheidet, ohne uns zu hören, ohne uns zu sehen. Im Gegenteil, wir wollen zeigen, dass wir viele sind. Viele selbstbestimmte Sexarbeiter:innen. Wir sind viele und wir sind divers. Und vor allem sind wir laut. Darum habe ich gemeinsam mit Kolleg:innen beschlossen, eine Demo zu organisieren. Aber nicht irgendeine Demo: eine Tanzdemo. Am 4. Mai tanzen, feiern und kämpfen wir vor dem Roten Rathaus in Berlin für die Emanzipation unseres Berufszweiges und zeigen der Welt, was es heißt, Sexarbeiter*in zu sein.

Was euch erwartet:
• 6 ausgewählte DJs geben uns die Ehre und werden uns musikalisch unterstützen.
• 6 diverse Menschen aus unterschiedlichen Verbänden werden ihre Sicht zur Sexarbeit und zum drohenden nordischen Modell schildern.
• 4 Performances aus unseren Reihen zeigen auf ihre Art was uns beschäftigt
• 2 Interviews mit Bundestagsabgeordneten, die uns unterstützen.
• Anwesenheit weiterer Organisationen, z.B. Aidshilfe & Gesundheitsamt

Damit wir ernst genommen werden, ist es wichtig, dass so viele Leute wie möglich dabei sind. Zeig deine Solidarität, feier mit uns für unsere Rechte!

https://www.wearesexworkers.berlin

Und wenn du nicht persönlich dabei sein kannst, uns aber trotzdem unterstützen willst, dann freuen wir uns über eine Spende: https://spenden.berufsverband-sexarbeit.de/campaigns/we-are-sexworkers/ Gemeinsam verhindern wir das Sexkaufverbot in Deutschland!

 

Quellen:
Kate D’Adamo und Kendra Albert: Attacking Demand, Escalating Violence. The Impact of Twenty Years of End Demand Implementation on People who Trade Sex (2021). https://www.academia.edu/57250912/ Attacking_Demand_Escalating_Violence_The_Impact_of_Twenty_Years_of_End _Demand_Implementation_on_People_who_Trade_Sex_September_2021

Jay Levy und Pye Jakobsson: Sweden’s abolitionist discourse and law: Effects on the dynamics of Swedish sex work and on the lives of Sweden’s sex workers, in: Criminology and Criminal Justice 14/5 (2014), S. 593-60. DOI:10.1177/1748895814528926. https://www.researchgate.net/publication/ 275490901_Sweden%27s_abolitionist_discourse_and_law_Effects_on_the_dyna mics_of_Swedish_sex_work_and_on_the_lives_of_Sweden%27s_sex_workers